Shitstorms – eine Angst geht um

Wirft man einen Blick auf die Fragen zur Nutzung von Social Media ist das Thema Shitstorm besonders relevant. Das hat schon den Eindruck von German ANGST. Angst ist ein schlechter Ratgeber, sagt schon der Volksmund treffend. Und Angst ist dann besonders wirksam, wenn man nicht weiss, was auf einen zukommt und vor allem was man überhaupt machen kann. Hier deshalb einige Hinweise rund um das Thema.

Was ist ein Shitstorm?

Die Antwort findet sich in Wikipedia.

Wen betrifft das Thema Shitstorm überhaupt?

Jeden Person und jedes Unternehmen das in einem sozialen Umfeld agiert. Unabhängig davon, ob es bewußt in den sozialen Medien vertreten ist, oder nicht. Die Hoffnung, sich der Gefahr eines Shitstorms nicht auszusetzen, wenn man nicht in die sozialen Medien geht, ist so vernünftig wie die Augen zu schließen, weil man dann nicht gesehen wird.

Wie kommt ein Shitstorm zustande?

Auslöser

Die Zutaten eines Shitstorms sind ein Auslöser und die Fähigkeit zur Verbreitung von Kritik. Der Auslöser muss dabei nicht objektiv oder subjektiv dramatisch sein. Es reicht, das sich jemand geärgert hat, der weiß wie man einen Shitstorm in Gang setzt und die Möglichkeiten dazu hat.  Wikipedia nennt dazu einige Beispiele. Man kann allerdings nicht jede Mücke beliebig zum Elefanten aufblähen. Und je mehr Shitstorms durchs soziale Netz huschen, desto mehr gewöhnt sich der User daran.

Kompetenz / Erkenntnis

Auch wenn der Kunde vielleicht nicht in jedem Fall König ist, mit der Wirkungsklasse „Journalist“ kann jeder gut vernetzte Social Media User schnell gleich ziehen. Wo Journalisten noch in Redaktionen eingebettet sind, hat der Social Media User die alleinige Entscheidung, was er medial ins Rollen bringt. Entscheidend ist, das dem Social Media User zumindest vage klar ist, was er mit Social Media etwas bewegen kann.

Vernetzung und automatische Information

Ein Social Media Nutzer, der nicht wirklich vernetzt ist und die Mechanismen von Social Media nicht kennt, hat es ungleich schwerer einen Shitstorm ins Leben zu rufen, als jemand, der eine hohe soziale Reichweite und Glaubwürdigkeit besitzt und weiss, wie er seine soziale Reichweite aktivieren kann. Aus einer hohen Vernetzung und der damit einher gehenden breiten (automatischen) Information von Freundeskreisen ergibt sich geschickt genutzt schnell eine Reichweite, die der einer Tageszeitung in einer mittleren Stadt entspricht.

Ego

Wenn sich immer mehr Menschen an einer Kritik beteiligen, zieht das auch Menschen an, die sich durch Kritik profilieren und bestätigen. Je mehr bereits an sachlichen Argumenten genutzt wurde, desto schwieriger ist es sich damit noch zu profilieren. Sobald die sachliche Ebene der Kritik verlassen wird, steigert sich die unsachliche Kritik gegenseitig.

 

Wie erkenne ich einen Shitstorm rechtzeitig?

Das Zauberwort dafür ist Monitoring. Social Media aufmerksam im Blick zu haben, ist die einzige Chance auf eine rechtzeitige Vorwarnung, die es noch ermöglicht, worst cases zu vermeiden. Hier gilt die simple Faustregel, das man alle Plattformen im Blick haben sollte, die als Risikoquelle auftreten können und das man dies so zeitnah als möglich tun sollte. Je besser das Monitoring, desto höher sind allerdings auch seine Kosten. Wer diese vorher scheut, kann natürlich Glück haben. Monitoring ist in diesem Zusammenhang  ein wenig vergleichbar mit einer Versicherung oder dem Backup der Datenbestände.

Faustregel

  • Wenn Kritik im Netz aufgenommen wird, also andere Social Media User darauf reagieren, ist die erste Warnstufe erreicht.
  • Wenn der Kritiker oder die ersten reagierenden gut vernetzt sind, stehen Sie auf Stufe 2 und sollten agieren.
  • Ab Stufe 3 – die Kritik verbreitet sich – geraten Sie schon in der Defensive.

Die Shitstormskala von Graf und Schwede geht auf die Entwicklungsstufen ausführlicher ein. Deshalb überspringe ich diesen Punkt und warne lediglich davor eine Entwicklung zu lange nur zu beobachten oder aufgrund komplexer Entscheidungsstrukturen zu spät zu reagieren.

Wie kann ich mich vor einem Shitstorm schützen?

Gar nicht. Das ist wie schlechtes Wetter. Gut, es gibt windiges, naßkaltes Wetter und es gibt veritable Orkane. Und es ist ein Unterschied, ob ich das Wetter gemütlich im trockenen am warmen Kamin beobachte oder mit einem Boot auf hoher See und fernab von jedem Hafen von einem Orkan heimgesucht werde. Im letzteren Fall ist zu hoffen, das Schiff, Mannschaft und Kapitän seetüchtig und gut vorbereitet sind.

Wie bereitet man sich vor, bevor ein Shitstorm aufzieht?

Üben, üben, üben. Wie im maritimen Beispiel. Wenn jeder weiss, was er zu tun hat, und das auch blind und in schwierigsten Situationen sicher kann, ist die Lage schon mal etwas besser, als wenn alle in Panik geraten. Also befasst man sich mit den Themen

  • Shitstormplanung:
    • Welche Anlässe bietet das Unternehmen als Auslöser von Shitstorms.
    • Wo treten dazu Informationen auf?
    • Wie erkennen wir das sicher und rechtzeitig – im Unternehmen und im sozialen Netz?
    • Wer ist ein potenzielles „Shitstormrisiko“? (Teilweise prüfen Hotelketten in den USA die soziale Vernetzung von Gästen um sie als Multiplikatoren für positive Erfahrungen wie als Risiko im Fall von Kritik besser einschätzen zu können).
    • Wer reagiert im Fall A wie und wie schnell muss insgesamt reagiert werden können?
  • Shitstormübung: Wenn die „Shitstormplanung'“ zu einem Shitstorm-Notfallplan geführt hat, sollte man den einfach mal praktisch durchspielen.

Was tun, wenn ein Shitstorm aufzieht?

Schnelles, entschlossenes und vor allem kompetentes handeln ist wieder mal durch nichts zu ersetzen. Aussitzen würde ich als Strategie definitiv  nicht empfehlen.

Wenn die Früherkennung funktioniert hat.

Sobald Sie den ersten Windhauch erkennen, versuchen Sie ihm die Ursache aus den Segeln zu nehmen. Wenn Sie Probleme so schnell als möglich bereinigen und vor allem erkennbar machen, das das Problem sofort angegangen wird, sind Sie immer auf der sicheren Seite (auch wenn man nie ganz sicher sein kann). Denn damit sinkt die Anzahl derjenigen, die sich der Kritik anschließen schon mal. „Die tun ja schon was.“ Das bedeutet nicht, das die Kritik sofort ein Ende findet. Sie können damit aber einem anwachsen entgegen wirken.

Wenn nach dem Hinweis, das man etwas unternimmt, nichts erkennbares bzw. kommuniziertes passiert, ist das allerdings kontraproduktiv.

Wenn die Früherkennung nicht funktioniert hat oder zu spät gehandelt wurde.

In diesem Fall kocht das Thema schon hoch und der Storm ist nicht mehr abzuwenden. Die Devise heißt jetzt Schadenbegrenzung.

  • Der erste Schritt ist eine realistische Einschätzung der Situation. Es hilft nicht, im Recht zu sein und das auch durchzusetzen, wenn man dadurch einen größeren Schaden produziert. Die Methoden „Bis zum bitteren Ende“ und „Wir haben Vorfahrt“ sind nicht wirklich empfehlenswert.
  • Brechen Sie aus der kommunikativen Defensive aus und sei es durch eine Kapitulation. Letztlich bezahlen Sie damit „nur“ den Preis mangelnder Aufmerksamkeit und Kompetenz. Eine Gegenoffensive im Sinn eines Gegenangriffs gegen alle Kritik ist suizidal, weil Sie damit Benzin ins Feuer giessen.
  • Versuchen Sie die Kommunikationsführerschaft zurück zu bekommen. Das wird nicht in allen Fällen gelingen, aber je mehr sie aus der Defensive kommen, desto weniger „Opfer“ und „Spielball“ sind sie. Wer Fehler eingesteht, glaubhaft erklärt, wie er sie vermeiden kann und offen und auf gleicher Augenhöhe kommuniziert und damit um Verständnis und Vertrauen wirbt, hat bessere Chancen mit einem geringeren Schaden davon zu kommen.

In solchen Fällen zahlt es sich übrigens sehr aus, wenn man in Social Media längere Zeit aktiv war und sich ein Vertrauenspolster und die Unterstützung durch andere Social Media User aufgebaut hat. Das Unternehmen steht dann nicht ganz alleine da und Gegenstimmen anderer User sind sehr hilfreich wenn es darum geht, die Dimension eines Shitstorms in Grenzen zu halten. Allerdings sollte man besser nicht versuchen, diese Unterstützung über Fakes oder bezahlte Stimmen / Agenturen zu produzieren. Die Gefahr, das dies auffliegt und zu einer worst case Situation führt, ist in meinen Augen zu hoch.

Die hässliche technische Seite eines Shitstorms

Googeln Sie auch, wenn Sie etwas über eine Person, ein Unternehmen oder eine Marke wissen wollen? Wenn ein Shitstorm seinen Schwerpunkt auf Plattformen hat, die Google auswertet, kann der Shit bei Suchabfragen noch über längere Zeit wieder aufgewärmt und hochgespült werden. Und damit lästig lange nachwirken. Es macht also auch technisch Sinn, in Social Media aktiv zu sein und darauf zu achten das ein Shitstorm möglichst auf der eigenen Plattform stattfindet.

Persönliche Anmerkung

Als kleiner Trost zur Dimension des Themas Shitstorm: Gelegentlich ist die Angst vor der Gefahr gefährlicher als die Gefahr selbst. Spätestens wenn man sich auf ein Risiko ernsthaft vorbereitet, nimmt dieses kalkulierbarere Dimensionen an.

Wenn sie mehr wissen wollen oder müssen

Nutzen Sie unsere Seminare, einen Workshop für die Vorbereitung oder ein individuelles Coaching für sich oder Ihr Team. Sprechen Sie uns an.

 

[allgemein]

Veröffentlicht von

Wilfried Schock

ist seit 1980 im Marketing unterwegs und hat seit 2006 seinen Schwerpunkt in Social Media. Heute bildet er Social Media Manager aus, entwickelt Methoden rund um das Thema Social Media Strategie und digitale Geschäftsmodelle und berät Unternehmen in diesen Feldern.