Ist der Abstieg die Zukunft der deutschen Social Networks?

Die Frage ob deutsche Social Networks überhaupt eine Zukunft haben können – bei der Omnipotenz von Facebook und dem Buzz um Google+ – wird durchaus unterschiedlich negativ beantwortet.

Die Gegenwart sieht unerfreulich aus

Martin Weigerts Artikel über die Zukunft der VZs „Abstieg: Die Tage der VZs sind gezählt“ ist allemal lesenswert. Was er darin schreibt, trifft aber nicht nur auf die VZs zu. Das ist faktisch die Realität der allermeisten deutschen Social Network Plattformen. Wer sich genauer informieren will, kann dies recht komfortabel tun. Hier finden Sie die aktuellen Google Checks für die wichtigsten deutschen Social Network Plattformen – inklusive der regionalen und lokalen. Klicken Sie auf Google Check und Sie sehen die aktuelle Entwicklung der jeweiligen Plattform – und leider auch ein sich immer wiederholendes Bild des Abstiegs.

Wer darin eine mathematische Gesetzmäßigkeit vermutet – a la „the winner takes it all“ -, täuscht sich. Es ist eine recht logische Mischung aus einer ganzen Reihe von Fakten. Das Gesetz der Masse – böse Zungen sagen auch der Lemminge – gehört genauso dazu, wie die Erkenntnis das auf Betreiberseite die Kompetenz um einen harten Wettbewerb zu bestehen oftmals fehlt, ja fehlen muss. Viele Erfolge sind Ergebnis des Zufalls, Resultat eines günstigen Augenblicks und der Abwesenheit des Wettbewerbs, bei hoher Nachfrage. Diese Rahmenbedingungen haben sich drastisch geändert. Der Markt ist verglichen mit 2006 nun mal deutlich gesättigter, der Wettbewerb nicht zu übersehen.

Gibt es eine echte Notwendigkeit für deutsche Social Network Plattformen?

Eindeutig ja. Vielleicht weniger für die User auch nicht nur um dem deutschen Datenschutz endlich Genüge zu tun. Das Argument hat eher marginale Bedeutung, vergleicht man es mit anderen Gründen.

Social Network Plattformen werden als zentrale Orte an denen sich Angebot und Nachfrage, Meinung und Trends treffen und bilden nicht nur für die Wirtschaft eines Landes zunehmend wichtig. Auch die gesellschaftliche Bedeutung ist immer noch nicht angekommen. Wer sich erinnert, das Social Media zunehmend wahlentscheidend wird, hätte vielleicht doch lieber auch mehrere Plattformen auf denen agiert wird.

Welche deutsche Plattform könnte bestehen?

Derzeit fällt mir dazu nur wenig ein. Das liegt nicht nur daran, das die deutschen Plattformen überwiegend stehen geblieben sind, was die technische Entwicklung angeht. Wer das Rennen aufgibt, muss sich nun mal nicht wundern, wenn er zurück bleibt.

Nicht weniger relevant ist die Qualität des Managements der Plattformbetreiber. Hier trifft man öfter den Typus des Wirtschaftsinformatikers der mit seiner Diplomarbeit Community erfolgreich war, weil es in seiner Region keine nennenswerte Alternative gab. Einige davon haben sich aus dem Business verabschiedet – siehe VZ- und Lokalistengründer – andere bleiben mehr oder weniger aktiv am Ball. Und natürlich gibt es auch weiterhin Plattformen, die technologisch nicht stehen bleiben  – siehe KWICK! – oder sich noch wacker im Markt halten – siehe Jappy.

Die Katze beißt sich in den Schwanz

Die Crux ist, das die Ertragslage der Plattformbetreiber große Investitionen nicht mehr erlaubt. Einen Wettbewerb ohne umfangreiche Ressourcen kann man nur durch hohe Innovationsfähigkeit gestalten. Und das ist für viele Betreiber immer gleichbedeutend mit technischen Investitionen. Facebook dagegen agiert strategisch und besetzt primär Ertragsfelder, die in der Summe die Plattform interessanter und reizvoller machen, externe Entwickler für weitere Applikationen motivieren.

Ein wirklich wettbewerbsfähiges Angebot ist von den deutschen Plattformbetreiber nicht zu erwarten. Nach dem Ende der VZs werden wir sehen, wie lange sich wer-kennt-wen.de gegen den Abwärtstrend stemmen wird.

Wer könnte den Wettbewerb neu beleben?

Die beste Chance sehe ich bei etablierten Medienunternehmen. Dort sind die Startvoraussetzungen besser als in anderen Branchen. Leider fehlt es dort noch an der nötigen Kompetenz wenn man die Social Media Bemühungen der Medienbranche mit dem vergleicht was state-of-the-art ist. Das könnte sich aber ändern, wenn man in den Führungsetagen der Medienunternehmen erkennt, welche wirtschaftlichen Potenziale sich aus der Verbindung von Social Network Plattform und Medienplattform wirklich ergeben. Sieht man sich das Beispiel Holtzbrinck und VZs oder RTL und wkw an, rückt diese Hoffnung allerdings in weite Ferne.

Fazit

Ein wesentlicher Teil der Stärke von Facebook liegt in der Schwäche seiner Wettbewerber. Das gibt Hoffnung, das sich kein Quasi-Monopol etablieren kann. Ein Oligopol aus Google+ und Facebook wäre allerdings auch keine wirkliche Verbesserung.

 

 

 

 

 

Veröffentlicht von

Wilfried Schock

ist seit 1980 im Marketing unterwegs und hat seit 2006 seinen Schwerpunkt in Social Media. Heute bildet er Social Media Manager aus, entwickelt Methoden rund um das Thema Social Media Strategie und digitale Geschäftsmodelle und berät Unternehmen in diesen Feldern.